2. Juli 2002

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Zwei weitere Tibeter in Kathmandu verhaftet

Wieder wurden zwei Tibeter in Nepal festgenommen, weil sie keine gültigen Reisedokumente oder Aufenthaltsgenehmigungen vorlegen konnten. Sie befinden sich gegenwärtig im Dili Bazar Gefängnis in Kathmandu, wo auch die anderen elf Tibeter eingesperrt sind, die 2000 und 2001 aus ähnlichen Gründen verhaftet wurden (TIN News Update vom 15. Feb. 2002, www.tibetinfo.net/news-updtes/2002/1502.htm).

Ebenso wie es dieser Gruppe erging, müssen auch die zwei Tibeter Choeyang Dorje und Palden Gyatso mit 10 Jahren Gefängnis rechnen, wenn sie die über sie verhängte Geldstrafe von je über 2.000 $ nicht bezahlen.

Choeyang Dorje und Palden Gyatso reisten 2000 auf ihrem Weg von Tibet nach Indien durch Nepal. 2001 kehrten sie nach Nepal zurück, wo sie ein Jahr später, am 15. Mai 2002, anfänglich wegen Diebstahlverdachts, festgenommen wurden. Choeyang Dorje wurde verhaftet, während er sich in einem religiösen Retreat in Pharping befand, und Palden Gyatso in seiner Unterkunft in Bauddha. Die nepalesische Polizei fand zwar keine Beweise für einen Diebstahl bei den beiden und konnte sie deshalb nicht belangen, doch im Laufe der Untersuchungen stellte sich heraus, daß Choeyang Dorje und Palden Gyatso keine gültigen Aufenthaltsdokumente für Nepal besaßen. Wie die anderen elf Tibeter, die derzeit Strafen von 10 Jahren im Dili Bazaar Gefängnis verbüßen, wurden sie der Verletzung des § 3 (1) des nepalesischen Einwanderungsgesetzes (1992) angeklagt, das besagt: "Ausländern ohne Visum ist die Einreise oder der Aufenthalt in dem Königreich verboten". Die beiden wurden mit einer Geldstrafe von je 2.282 US $ belegt, welche sich aus den nachträglich erhobenen Visumsgebühren ergibt, oder mit 10 Jahren Haft bei nicht erfolgender Zahlung bedroht.

Ein vierzehnter Tibeter, Tenpa Rabgyal, der am 28. Januar 2002 verhaftet wurde, kam am 18. Juni frei, nachdem das Tibet-Büro in Kathmandu die relativ kleine Strafe von 174 $ für ihn bezahlt hatte. Diese Geldstrafen hängen von der Zeitspanne ab, die sich jemand ohne gültige Aufenthaltspapiere in Nepal aufhält. Tenpa Rabgyal wurde ziemlich bald, nachdem er nepalesischen Boden betreten hatte, verhaftet, während die anderen 13 Tibeter schon länger im Land waren, als sie festgenommen wurden. Ihre Strafen wurden aufgrund ihres Aufenthalts berechnet, wobei sogar die Zeit, die sie in Indien zugebracht hatten, mit eingeschlossen wurde.

Der nepalesische Anwalt, der die 13 Tibeter vertritt, beanstandete, daß seinen Mandanten, von denen keiner die Landessprache beherrscht, während des ganzen Vernehmungsprozesses kein Dolmetscher zur Seite gestellt wurde. Alle, außer zweien, gaben eine negative Antwort auf die Frage, ob sie verfolgt würden, wenn sie nach Tibet zurückkehrten. Was den Zweck ihres Aufenthaltes in Nepal betrifft, antworteten sie alle, daß sie Nepal besuchen/oder in dem Land bleiben wollten. Es ist anzunehmen, daß keiner von ihnen den juristischen Sinn dieser Fragen verstand.

Bisher war es üblich, daß Tibeter die nepalesische Grenze ohne ausdrückliche Genehmigung der nepalesischen Behörden überschreiten und sich dort länger niederlassen. Seit die VR China Tibets internationale Grenzen kontrolliert und seit der Modernisierung des nepalesischen Staates wurde diese liberale Praxis durch eine Reihe von offiziellen Genehmigungsverfahren ersetzt. Daß viele Tibeter sich nicht an die gegenwärtig geltenden Regeln halten, ist teilweise ihrer Unkenntnis der Sachlage zuzuschreiben. Aber selbst für diejenigen, die sich der Bedingungen bewußt sind, kann es schwierig und langwierig sein, von den Behörden in Tibet einen Paß zu bekommen, wobei das Ergebnis ungewiß ist, und der Antragsteller sich gar noch politisch verdächtig machen kann. Offiziell erlaubt die nepalesische Regierung denjenigen Tibetern, die nach 1989 eintrafen, überhaupt nicht im Land zu bleiben. Es entwickelte sich jedoch ein Gentleman's Agreement (informelles Übereinkommen) zwischen der nepalesischen Regierung, dem UN Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und der tibetischen Exilregierung, dem zufolge die nepalesische Regierung tibetischen Asylsuchenden stillschweigend erlaubt, auf dem Weg von Tibet nach Indien Nepal zu durchqueren. Obwohl dieses inoffizielle Vorgehen genau genommen nicht auf Tibeter anzuwenden ist, die aus Indien nach Tibet zurückkehren (ein Asylsuchender würde per definitionem ja nicht an seinen Herkunftsort zurückkehren wollen), konnten Tibeter in der Praxis relativ ungehindert durch Nepal reisen, bis Ende 2000 eine Gruppe von 19 Tibetern, die nach Tibet zurückkehren wollte, in Nepal festgenommen wurde. Sie wurde mit hohen Geldstrafen belegt und in der Folge wegen Zahlungsunfähigkeit inhaftiert.

Eine Festnahme wegen nicht erfolgter Entrichtung einer Geldstrafe ist nach dem Völkerrecht eine höchst fragwürdige Sache. § 11 des Internationalen Abkommens über Bürgerliche und Politische Rechte, das auch von Nepal ratifiziert wurde, besagt: "Niemand darf nur wegen seiner Unfähigkeit, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, ins Gefängnis geworfen werden". Außerdem spezifiziert die Europäische Menschenrechtskonvention, deren juristische Bedeutung sich anerkanntermaßen über Europa hinaus erstreckt, daß die Festnahme wegen des Verstoßes gegen eine rechtmäßige Anordnung oder wegen versäumter Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung zwar legal ist, die Gefangensetzung jedoch zur Erfüllung der Verpflichtung verhelfen muß und nicht einfach eine Strafe für ihre Nichteinhaltung sein darf. Das Protokoll fährt fort, daß die Unfähigkeit der Verpflichtung nachzukommen allein noch nicht die Inhaftierung rechtfertigt.

Viele Tibeter, die Nepal durchqueren oder in dem Königreich wohnen, verfügen über keine offiziellen Aufenthaltsgenehmigungen oder Transitvisa. Bei ihrer Ankunft in dem Tibetischen Flüchtlingszentrum in Kathmandu wird den Neuankömmlingen ein Personalausweis ausgestellt, auf dem ihre persönlichen Daten vermerkt sind und der besagt, daß "der Inhaber dieses Ausweises der Obhut des UNHCR unterliegt", obwohl die Kennkarte nicht das UNHCR Logo oder dessen Telefonnummer trägt. Ein in Kathmandu arbeitender Westler erklärte TIN: "... weil diese Ausweise von dem Tibetan Refugee Centre in Kathmandu ausgegeben werden, das keine offizielle Körperschaft ist, sind sie bedeutungslos. Sie sind in der Tat völlig wertlos und sogar eher abträglich, weil sie die den Tibetern die Illusion eines gewissen Schutzes und der Erlaubnis, hier bleiben zu dürfen, vermitteln, während sie in Wirklichkeit von der nepalesischen Regierung als illegal eingereiste Ausländer und somit als Gesetzesbrecher betrachtet werden."

Ein Tibeter in Kathmandu erklärte TIN, daß die nepalesische Regierung auf chinesischen Druck hin durch diese sporadischen Festnahmen deutlich machen möchte, daß sie sich an ihren Beschluß von 1989 hält, demzufolge sich keine Tibeter mehr in Nepal niederlassen dürfen. Ein anderer Tibeter kommentierte: "Wenn sie dies (den Beschluß von 1989) wirklich durchsetzen, dann werden viele Tibeter in Nepal große Probleme bekommen, weil viele von ihnen keine ordnungsgemäßen Papiere haben".

Vor dem Demokratie-Tag am 19. Februar, einem Datum, zu dem der König traditionsgemäß bestimmte Gefangene begnadigt, appellierten die obengenannten elf Tibeter erfolglos um Amnestie an den König. Unter ihnen ist eine Mutter mit einem vier Monate alten Baby. Es besteht Grund zur Sorge um die Gesundheit der Mutter, die gegenwärtig in einem Krankenhaus behandelt wird. Alle dreizehn jetzt in Kathmandu inhaftierten Tibeter wollen am Geburtstag des Königs, dem 7. Juli, einen zweiten Appell an ihn richten.

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